S. Bassett: The Urban Image of Late Antique Constantinople

Cover
Titel
The Urban Image of Late Antique Constantinople.


Autor(en)
Bassett, Sarah
Erschienen
Anzahl Seiten
291 S.
Preis
$85.00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Holger Dietrich, Historisches Institut, Universität Stuttgart

Der vorliegende Band hat die wechselvolle Geschichte einer einzigartigen Sammlung antiker Statuen zum Gegenstand. Es handelt sich um die unter Constantin dem Großen begonnene Kollektion antiker Bildwerke, die das Stadtbild der spätantiken Metropole Konstantinopel prägte. Über den Ausbau der Sammlung unter Constantius II. und am Ende des 4. sowie dem Beginn des 5. Jahrhunderts, als mit der Vergrößerung der Stadt auch deren statuarische Ausstattung eine Erweiterung erfuhr, hatte das Ensemble bis zum vierten Kreuzzug 1204, trotz mehrerer Erdbeben und kriegerischer Auseinandersetzungen, in seinem Kern Bestand. Unter den Kreuzfahrern nahm die Sammlung jedoch so entscheidend Schaden, dass an eine Wiederherstellung des alten Stadtbildes nicht mehr zu denken war. Die Eroberung Konstantinopels durch die Osmanen im Jahre 1453 bedeutete das Ende der Sammlung.

Ausgewiesenes Ziel des vorliegenden Bandes ist es, die Entstehung der Sammlung in der Zeit vom 4. bis zum 6. Jahrhundert nachzuzeichnen (S. 8). Aufgrund der wenigen erhaltenen Originale muss sich Bassett im Wesentlichen auf literarisches Quellenmaterial und den archäologischen Befund stützen. Dabei muss jedoch stets bedacht werden, dass zeitgenössische oder spätere Quellen weniger eine exakte Beschreibung einer existierenden Statue bieten wollen. Des Weiteren soll in Abhängigkeit von der chronologischen Entwicklung und der topografischen Verteilung die jeweils vorherrschende Art der Repräsentation identifiziert, beschrieben und analysiert werden. Schließlich möchte Bassett die Sammlung als Ganzes würdigen und dabei insbesondere aus dem Blickwinkel der hier behandelten Zeit interpretieren. Insofern stellt das Buch eine Abkehr von älteren Werken dar, die sich fast ausschließlich mit dem Nachleben der Sammlung und ihrer Rezeptionsgeschichte befassten.1

Bassett betont die grundlegende Bedeutung der statuarischen Ausstattung einer Stadt für ihr Selbstverständnis. Noch in der Spätantike war dabei Rom das Beispiel, dem es nachzueifern galt. Insbesondere für die Identität einer Bevölkerung waren Statuen von einer nicht zu unterschätzenden Bedeutung, was beispielsweise dann besonders ins Auge sticht, wenn eine Statue aus einer Stadt von einer siegreichen Macht entfernt wurde. Dieser Akt galt als Beweis für die Überlegenheit und Macht des Siegers (als Beispiel wird der Sieg Roms über Tarent angeführt). Dazu tritt die Funktion der statuarischen Ausstattung als Mittel zur Legitimation der kaiserlichen Machtstellung, "the construction of an image of power" (S. 15). Vor diesem Hintergrund treten religiöse Beweggründe in den Hintergrund, während die Bedeutung der Statuen für die stadtbürgerliche Tradition, die Romanitas, und ihre symbolische Aussagekraft eindeutig hervorspringen.

Im ersten Kapitel umreißt Bassett den topografischen Rahmen der spätantiken Stadt Konstantinopel. Hinsichtlich der statuarischen Ausstattung bestimmter Plätze ergibt sich jedoch sogleich eine Problematik, die mit dem Zufall der Überlieferung erklärt werden muss: Aus konstantinischer Zeit werden die Zeuxipposthermen, das Hippodrom und das Constantinsforum behandelt, da nur zu diesen Plätzen schriftliche Quellen in ausreichender Zahl überliefert sind. Ungeachtet der Schwierigkeiten bei der Rekonstruktion der antiken Topografie ist jedoch gerade eine möglichst exakte Bestimmung der Rahmenbedingungen vonnöten, um den Zugang zu einer adäquaten Interpretation der in der Stadt an bestimmten Orten aufgestellten Statuen zu eröffnen. Von herausragender Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die Existenz verschiedener öffentlicher Bauwerke und die sie verbindenden Straßenzüge, die auch als Kulisse für die Darstellung kaiserlicher Macht fungierten. Diese Funktion fällt besonders an kolonnadengeschmückten Straßen auf. Insgesamt geht es Bassett nicht darum, einen weiteren Beitrag zu der in der Forschung viel diskutierten Frage zu liefern, ob Konstantinopel als ein paganes oder dezidiert christliches Zentrum geplant war; vielmehr deutet sie die Orte und ihre statuarische Ausstattung losgelöst von religiösen Fragestellungen vor dem Hintergrund kaiserlicher Selbstdarstellung und Repräsentation.

Nach Bassett vollzog sich die Etablierung der Sammlung in drei großen Schritten: Der Initialzündung unter Constantin und Constantius II. folgte eine zweite Zeit der Blüte unter Theodosius I., wohingegen die Zeit Justinians weniger durch den Ausbau, als vielmehr durch eine Neuorientierung der bestehenden Sammlung gekennzeichnet war. Die Objekte stammen fast alle aus der Osthälfte des Römischen Reiches, abgesehen von wenigen Ausnahmen, die aus der alten Hauptstadt Rom eingeführt wurden (S. 39). Zur Finanzierung von Erwerb, Transport und Aufstellung des Materials vermutet Bassett, dass unter der Ägide des Prätorianerpräfekten einmalige Steuern erhoben wurden (S. 42). Bezüglich der Auswahl der Objekte ist es einerseits möglich, dass die Städte des Reiches aufgefordert wurden, einen Beitrag zur statuarischen Ausstattung der neuen Hauptstadt zu leisten. Andererseits ist auch ein System von regelrechten "Scouts" vorstellbar, die im Reich unterwegs waren und speziell den Auftrag hatten, nach geeigneten Exponaten Ausschau zu halten. Als Auswahlkriterien galten offenbar zum einen die Verwendbarkeit der Werke als Rückgriff auf bürgerliche Traditionen und Lebensweise, zum anderen ihre Beispielhaftigkeit für herausragende historische Ereignisse der griechisch-römischen Zivilisation.

Von Bedeutung ist auch die Antwort auf die Frage, warum man gerade in der ersten Zeit der Sammlung so große Mühen und Kosten auf sich nahm, um Kunstwerke von weither nach Konstantinopel zu transportieren. Neben pragmatischen Aspekten wie der gebotenen Eile, die neue Hauptstadt des Reiches in der kurzen Zeit vom Beginn der Umbauarbeiten 324 bis zur feierlichen Einweihung 330 mit Statuen zu möglichst preiswerten Konditionen adäquat auszustatten, nennt Bassett als Motiv die Absicht, mit den Spolien dem Besucher deutlich die Romanitas Konstantinopels vor Augen zu führen. Die statuarische Ausstattung der Plätze und öffentlichen Gebäudekomplexe folgte den üblichen Gepflogenheiten: In den Zeuxipposthermen fanden sich beispielsweise Bildwerke, die sich in den Kontext von Badeanlagen einfügten. Darüber hinaus ist gewissermaßen als roter Faden, der die Sammlungen Constantins durchzieht, die Absicht erkennbar, über den Weg der Statuen auf die mythische Gründungszeit Roms mit der Geschichte des Trojanischen Krieges zurückzugreifen, um solchermaßen auch das "zweite Rom" in eine Tradition zu stellen, die derjenigen der alten Hauptstadt in nichts nachsteht.

Nach einer Periode (von Julian bis Valens), für die sich bezüglich der Ausschmückung der Stadt kaum nennenswertes berichten lässt, ist unter Theodosius und seinen Nachfolgern wiederum ein gesteigertes Interesse an der statuarischen Ausstattung Konstantinopels konstatierbar. Die Aktivitäten in diesem Bereich gehen Hand in Hand mit der Erweiterung des Stadtgebietes, als die konstantinische durch eine neue, etwa anderthalb Meilen weiter westlich errichtete Stadtmauer ersetzt wurde. Im Gegensatz zu Constantin stand nun aber nicht die Schaffung einer Stadtgeschichte im Vordergrund, sondern die Selbstdarstellung der theodosianischen Dynastie.

Eine Sonderstellung nahm in der spätantiken Stadt die so genannte Lausos-Sammlung ein, die in den ersten Jahrzehnten des 5. Jahrhunderts von dem Aristokraten Lausos in einer Porticus an der Nordseite der Mese aufgestellt wurde. Nach dem Brand von 475 blieben von dieser Sammlung lediglich literarische Zeugnisse, die uns ein Bild von ihrer Zusammensetzung vermitteln. Als Ausgangspunkt für eine Interpretation der Sammlung wählt Bassett den sozioökonomischen Hintergrund des Stifters, eines hochrangigen christlichen Vertreters am kaiserlichen Hof (S. 100). Vor dem Hintergrund der in der Antike weit verbreiteten Auffassung eines Fortschrittes in der Kunst sind insbesondere die Götterdarstellungen der Lausos-Sammlung vordergründig als ein Spiegelbild der wichtigsten Etappen der griechischen klassischen Kunst zu betrachten. Allerdings ist die Antwort auf die Frage nach der Wirkung der Werke beim Publikum ebenso unbeantwortet wie der offensichtliche Widerspruch, der sich aus der vermeintlichen Unvereinbarkeit einer Sammlung der bedeutendsten paganen Götterbilder mit dem christlichen Glauben ihres Stifters ergibt. Die rein erzieherische Funktion der Kunstwerke stand offenbar im Vordergrund; insofern stellt die Lausos-Sammlung eine Anknüpfung an die antike paideia dar.

Die letzte in diesem Band behandelte Phase betrifft die Zeit Justinians, in der sich das Stadtbild vollständig in das einer christlichen Metropole wandelte.2 Den unmittelbaren Anlass für eine Reihe von Neu- und Umbauten lieferten der Nika-Aufstand und die damit einhergehende Zerstörung großer Teile der Stadt durch Feuer. Im Vergleich zu den oben erwähnten Sammlungen fiel die Ausstattung der Stadt mit Statuen unter Justinian geradezu bescheiden aus. Dennoch ist im Gesamtbild ein signifikanter Wechsel zu erkennen: Ging es früher vordergründig um die Etablierung Konstantinopels als secunda Roma mit Rückgriffen auf Troja, so stand im 6. Jahrhundert offenbar der Gedanke, die Stadt als Neues Jerusalem darzustellen, im Vordergrund. Diese Annahme wird durch die bekannten Bildwerke aus der Zeit gestützt, die häufig auf biblische, besonders alttestamentliche Themen zurückgreifen.

Im zweiten Teil des Bandes ist der Katalog untergebracht. Darin sind die in Konstantinopel identifizierten Werke nach topografischen Gesichtspunkten aufgelistet. Innerhalb eines Aufstellungsortes wurden die Objekte nach dem Alphabet sortiert. Der Band schließt mit dem Anmerkungsapparat, einem Literaturverzeichnis und dem Register. Es ist Bassett gelungen, ein gut recherchiertes Werk zu einem wichtigen Aspekt der spätantiken Urbanität, der statuarischen Ausstattung der Stadt, bereitzustellen. Ausführlich interpretiert sie das Material im Hinblick auf Zweck und beabsichtigte Wirkung der Bildwerke. Problematischer ist die Frage nach der tatsächlich vom Betrachter empfundenen Wirkung. Doch auch zu dieser Problematik leistet Bassett mit dem Band einen wichtigen Beitrag.

Anmerkungen:
1 Stellvertretend seien hier genannt Dawkins, R. M., Ancient Statues in Medieval Constantinople, in: Folklore 35 (1924), S. 209-248; Mango, C., Antique Statuary and the Byzantine Beholder, in: Dumbarton Oaks Papers 17 (1963), S. 55-75.
2 Nach Prokop (de aed. 1,11,6-7) gab es über 50 Kirchen.

Redaktion
Veröffentlicht am
Redaktionell betreut durch
Klassifikation
Mehr zum Buch
Inhalte und Rezensionen
Verfügbarkeit
Weitere Informationen
Sprache der Publikation
Sprache der Rezension